Für nachhaltigen Handel im Agrar- und Lebensmittelsektor ist „gute“ Regierungsführung mit Fokus auf nachhaltiger Wirkung notwendig
Handelspolitische Analysen stützen sich häufig auf übergeordnete Makromodelle, in denen Handelsströme zwischen den Ländern und die Auswirkungen auf das nationale Wirtschaftswachstum berücksichtigt werden. Dabei werden Auswirkungen auf Mikroebene jedoch nicht angemessen erfasst – insbesondere die ökonomischen, sozialen und ökologischen Auswirkungen auf das Wohlergehen Einzelner wie landwirtschaftlicher Betriebe vor Ort. Im EU-finanzierten Projekt MATS(öffnet in neuem Fenster) wurden über länder- und rohstoffspezifische Fallstudien in Afrika, Lateinamerika und Europa Makromodelle zum Agrar- und Lebensmittelhandel (quantitative Methoden) mit Mikroperspektiven (qualitative Methoden) integriert. Das MATS-Team befasste sich auch mit den rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen auf den lokalen und globalen Agrar- und Lebensmittelmärkten. Dieser Systemansatz ermöglichte ein tieferes Verständnis der Bedingungen, die das Erreichen von Zielen der nachhaltigen Entwicklung und damit einen nachhaltigeren Agrar- und Lebensmittelhandel erleichtern oder behindern.
Soziale Nachhaltigkeit: Von Szenarien auf Mikroebene zu wirksamen Maßnahmen auf Makroebene
In 15 länder-, regionen- und rohstoffspezifischen Fallstudien untersuchte das MATS-Team die Handelsregelungen und ihre Auswirkungen auf die soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit sowie die Mechanismen auf der Ebene der einzelnen Betriebe und Verbrauchenden. Die Fallstudien wurden auch als Input für Handelsmodelle auf Makroebene verwendet. „Durch die Bottom-up-Analyse konnten wir individuelle Bewertungen vornehmen und dabei Veränderungen der Bodennutzung oder Ökosystemleistungen berücksichtigen, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsmaßnahmen relevant sind. Diese wurden mit Makromodellen verknüpft, die Aufschluss über die Auswirkungen einer möglichen Zusammenarbeit auf Länderebene gaben“, erklärt der Projektkoordinator Bodo Steiner von der Universität Helsinki(öffnet in neuem Fenster). So wurden beispielsweise quantitative Bewertungen einer nachhaltigeren landwirtschaftlichen Produktion – bei gleichzeitiger Steigerung der Flächenproduktivität und Verringerung der Emissionen – zu Inputs für die Formulierung von Makroszenarien. Dazu gehört die Bildung von „Klimaclubs“, in denen sich afrikanische oder andere CO2-intensive Regionen gemeinsam auf globaler Ebene zur CO2-Neutralität verpflichten, was wirksamer sein kann als individuelle Verpflichtungen auf Länderebene.
Inklusion, Transparenz und die Schlüsselrolle von Investitionen
„Bei den Ergebnissen geht es vor allem um gute Regierungsführung und Handlungsfähigkeit – es muss sichergestellt werden, dass diejenigen, die weniger Zugang zu Informationen und eine geringere Marktmacht haben, insbesondere Kleinetriebe, im Handel nicht auf der Strecke bleiben“, unterstreicht Steiner. Dies erfordert auch Investitionen in Nachhaltigkeit, die über die landwirtschaftliche Produktion oder globale Transportinitiativen hinausgehen. Es sind transparentere und gerechtere Investitionen erforderlich, bei denen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Kleinbetrieben und Unternehmerinnen in Bezug auf Mikrokredite in Wertschöpfungsketten beachtet werden. Schließlich sind Transparenz, Verlässlichkeit und Kohärenz der Regulierungs- und Rechtsinstrumente sowie der handelsbezogenen Maßnahmen und Institutionen von entscheidender Bedeutung. Probleme bei der Durchsetzung von Regeln auf allen Ebenen – von der Welthandelsorganisation bis hin zu Handelsabkommen ohne die Integration von geistigem Eigentum und Verträgen zwischen Landwirtschaft und Handel – führen zu Unsicherheiten für Parteien entlang der Wertschöpfungskette. Dadurch sinken Investitionen, der Zugang afrikanischer Waren zum EU-Markt wird reduziert und Kleinbetriebe und Ausfuhren werden negativ beeinflusst. Häufigere und transparentere Folgenabschätzungen von handelspolitischen Maßnahmen vor und nach ihrer Umsetzung sollten bei den Institutionen, die Aufsicht über die Handelspolitik auf allen Ebenen ausüben, zum Standardverfahren gehören.
Künftige Generationen durch nachhaltigen Agrar- und Lebensmittelhandel unterstützen
„Unsere Arbeit deckt sich mit der Kernaussage des Wirtschaftsnobelpreises 2024, nämlich dass eine integrative Regierungsführung das Herzstück von Wachstum und Wohlstand ist. In unserem Kontext des Agrar- und Lebensmittelhandels brauchen wir eine wissenschaftlich fundierte, institutionalisierte Bewertung der Nachhaltigkeitsauswirkungen und die Einbeziehung der Interessengruppen in die Umsetzung der globalen Agrar- und Lebensmittelhandelspolitik als zentrale Säulen einer regelbasierten Regierungsführung“, fasst Steiner zusammen. Zur Unterstützung konkreter Maßnahmen sind auf der MATS-Website verschiedene Informationen und Dienstleistungen(öffnet in neuem Fenster) zusammengetragen, wobei letztere an Unternehmen, politische Entscheidungsverantwortliche, Beratungsgremien und Wirtschaftsverbände gerichtet sind. Das MATS-Team hat auch das E-Book(öffnet in neuem Fenster) „Nachhaltiger Agrarhandel durch integratives Handeln und robuste Regierungsführung – Lehren für die Politikgestaltung“ veröffentlicht. Die MATS-Website wird in den kommenden zwei Jahren ständig aktualisiert. „Ein nachhaltigerer Agrar- und Lebensmittelhandel kann mit einem strategischen Ansatz erreicht werden, mit dem sichergestellt wird, dass die am meisten gefährdeten Parteien nicht zurückgelassen werden, und bei dem die sozialen und ökologischen Auswirkungen des derzeitigen Handels auf künftige Generationen berücksichtigt werden“, so Steiner abschließend.
Schlüsselbegriffe
MATS, Handel, Agrar- und Lebensmittelsektor, Regierungsführung, nachhaltige Agrar- und Lebensmittelwirtschaft, soziale Nachhaltigkeit, Kleinbetriebe, Handelspolitik, Bodennutzung